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Archive for the ‘Gesellschaft’ Category

„Und was studierst du?“ – Nietzsche und die Legitimation der Geschichtswissenschaft

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Jeder Student der Geschichte wird unzählige Male während seines Studiums gefragt: „Und, was wirst du dann damit?“ Meist folgt hier ein ahnungsloses Achselzucken, ein ironisches Ausweichmanöver oder ein Vortrag über die beruflichen Möglichkeiten eines Historikers. Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage: Warum studierst du nicht etwas Richtiges? Etwas mit Hand und Fuß, etwas mit einer klaren Perspektive! Zwar wird meist die Attraktivität der Geschichte anerkannt (Ja, dafür habe ich mich auch schon immer interessiert!), zugleich aber die Geschichtswissenschaft im Bereich des süßen Überflusses verortet – kann man machen, ist auch schön, aber eigentlich braucht man das nicht.

Ist Geschichtswissenschaft also eine Patek Philippe der Gesellschaft? Etwas, das niemand wirklich braucht, aber als schönes Accessoire mitgeschleppt wird?

Natürlich nicht! Aber warum ist Geschichte nun für so viele Menschen wichtig? Warum entscheiden sich jedes Jahr tausende Menschen dafür Geschichte zu studieren?

Die Antwort ist kurz: Weil der Mensch nicht vergessen kann. Wohin uns die Zeit auch wirft, überallhin begleitet uns unsere Vergangenheit. Dadurch, dass wir diese immer wieder neu begreifen, schaffen wir uns ständig neue Hintergründe. Dies gilt für Individuen genauso wie für Gruppen. Jeder konstruiert mit diesen Hintergründen Sinn und Identität für sich als Individuum und für sich als Menschen. Daraus folgt, dass die Sinngebung der Vergangenheit eine anthropologische Grundkonstante sein muss. Wir beschäftigen uns also nicht aus freiem Willen mit Geschichte, nein, wir folgen unserem menschlichen Trieb zu mehr Wissen über sich selbst. Letztendlich geht es um die Frage: „Warum sind wir, wer wir sind?“ In der Geschichtsschreibung wird diese Frage historisiert und mit „So wurden wir, wie wir waren“ beantwortet. Alles Gute, Schöne und auch alles Schreckliche und Widerwärtige, was die Historiker beschreiben, fügt unserem anthropologischen Grundverständnis nur eine weitere Facette zu.

Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich nun ein Vergangenheitsumgang, der den Anspruch einer Wissenschaft hat. Zweifellos war diese Verwissenschaftlichung ein großer Schritt zur Legitimation des dauernden Nachdenkens über Geschichte. Wissenschaft ist per Definition ernsthaft und ernst zu nehmen – wer Wissenschaft betreibt vertut zumindest nicht seine Zeit, auch wenn er sich mit Orchideenthemen der Alten Geschichte beschäftigt, denn gerade das Arkane der Themen bestätigt gerade die Notwendigkeit für Wissenschaftler und Wissenschaftlichkeit.

Kann aber ein kollektives Sinngebungsverfahren überhaupt wissenschaftlich sein? Nach Friedrich Nietzsche nicht. In seinen zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtung“ „Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben“ beschäftigte er sich mit dieser Frage und den Auswirkungen der Wissenschaftlichkeit auf die Geschichte. Für Nietzsche war Geschichtswissenschaft ein schlimmes Problem, er stellte fest, dass seine Zeitgenossen an der „historischen Krankheit“ litten. Dies hatte mehrere Gründe.

Zum einen war der wissenschaftliche Anspruch auf Objektivität für ihn eine Selbsttäuschung. Wahre Objektivität würde wahre Erkenntnis voraussetzen, welche für Nietzsche unmöglich war. Die Geschichtswissenschaft aber verleugne das Subjekt hinter der Wissenschaft und suche nach allgemeinen Gesetzen des Weltverlaufs.

Ein weiterer Kritikpunkt war die Lebensferne der Geschichtswissenschaft. Sie würde zu einer Ansammlung schwerer Wissenssteine führen, die das Individuum übersättigen und vom wahren, erfüllten Leben abhalten. Es scheine geradezu, „als wäre die Aufgabe, die Geschichte zu bewachen, dass nichts aus ihr herauskomme als eben Geschichten, aber ja kein Geschehen.“ Wissenschaftliche Geschichtsschreibung hilfe nicht das „Elend des modernen Menschen“ zu lindern.

Nietzsche antizipierte auch die Legitimationsprobleme der Geschichtswissenschaft in der modernen kapitalistischen Gesellschaft. In „wissenschaftlichen Fabriken“ würden Wissenschaftler zu „Legehennen“, für welche publizieren zum Selbstzweck werde. Wer den wissenschaftlichen „publish-or-perish“ Betrieb kennt, kann über eine solche prophetische Gabe nur staunen.

Nun hat sich die moderne Geschichtswissenschaft Nietzsche zu Herzen genommen und festgestellt, dass auch Klio dichtet und ein Anspruch auf Objektivität und empirischer Wissenschaftlichkeit schwer zu verteidigen ist. Diverse turns später bleibt wenig übrig von historischen Notwendigkeiten und Wahrheitsfindung. Doch was ist mit dem „Elend des modernen Menschen“? Ist die Geschichtswissenschaft auch für dies zuständig?

Der anhaltinische Pferdefreund gibt den modernen Menschen zumindest drei Wege der Geschichtsschreibung mit auf den Weg: Die monumentalische, welche sich auf das Schaffen der Großen Köpfe konzentriert, sodass sie sich ungestört vom „muthwillig lärmenden Gezwerge“ von den Gipfeln der Zeit zurufen können. Die antiquarische Geschichte, welche versucht, die Vergangenheit so gut wie möglich zu erkennen und aufzubewahren. Sie fragt weniger nach den Lehren der Geschichte, sondern möchte viel und genau archivieren. Schließlich nennt Nietzsche die kritische Geschichte, welche den aktuellen Diskurs hinterfragt und, wenn notwendig, Vergangenheiten zu „zerbricht“ um Platz für neues zu schaffen.

Diese willkürliche Unterscheidung der Historiographie kann hilfreich sein, bringt den Freund der Geschichte aber nur weiter, wenn er Nietzsches Anregung bedenkt, die Vergangenheit „nur aus der höchsten Kraft der Gegenwart“ zu deuten. Was meint dies genau? Nietzsche entwirft zum Ende seiner Betrachtung die Vision einer neuen Wissensgesellschaft – eine Gesellschaft, die von Heroen des Lebens geführt wird und jugendlich einen neuen Umgang mit der Vergangenheit lernt. An dieser Vision ist viel zu kritisieren, dem heutigen Leser wird das ein oder andere bitter oder braun aufstoßen, doch auch das ist nicht der Punkt. Es geht vielmehr darum, dass in dieser Gesellschaft erstens das Individuum und die eigene Lust am Lernen im Zentrum stehen. Es geht darum was wir wollen, was uns interessiert, was uns weiterbringt. Zweitens wird in Nietzsches Vision auch ein neues Geschichtsverständnis propagiert. Der neue Mensch solle lernen „von neuem Historie zu treiben“ indem er sich derjenigen Geschichtsauffassung bedient, die ihm am nützlichsten erscheint um sich selbst zu erkennen.

Nun könnte man einwenden, dass wir genau dies tun. Es gibt verschiedene Geschichtswissenschaftszweige, zwischen denen wir wählen können. Doch ist dies eher eine funktionalistische Frage – wir haben den Turm des Thukydides verlassen, da wir uns auf neuen Gebieten bessere Verständnismöglichkeiten der Vergangenheit versprachen. Dass wir uns bewusst ihrer bedienen um unsere Identitäten als Menschen zu formen wird dabei oft vergessen. „Nur aus der höchsten Kraft der Gegenwart“ bedeutet aber gerade dies. Wir beschäftigen uns mit Geschichte, um durch den Umgang der Menschen mit ihrer Zeit mehr über uns zu begreifen. Mögen die Themen noch so kleinteilig sein, mag es in Diskussionen um winzige und für Außenstehende irrelevante Details gehen, steht das Interesse am Menschen doch über allem. Und hier liegt die Anregung, die uns Nietzsche geben kann. Ständig sollten wir uns fragen – hilft mir das, was ich gerade erforsche wirklich weiter? Die beißende Frage des „Wozu?“ muss immer mit im Raum stehen, immer mit gedacht werden. Wer diese Frage nicht für sich befriedigend beantworteten kann, betreibt entweder Brotwissenschaft oder verschwendet seine Zeit.

Wenn uns nun interessierte Zeitgenossen fragen, warum wir uns nicht mit etwas handfesterem beschäftigen, sollten wir dies als willkommene Hilfestellung nehmen. Überprüfen wir wieder einmal für uns selbst, ob uns Geschichte weiterhilft. Wenn nicht, müssen wir etwas an der Art Geschichte zu treiben ändern, oder es für uns beenden. Wir müssen Geschichte wollen und wir müssen etwas damit erreichen wollen. Es ist ein Fehler dieses Wollen zu verneinen und sich an den Rettungsring der Wissenschaftlichkeit hängen. Was wir betreiben, ist nicht mehr als die Rationalität des Irrationalen, die Fortsetzung nach der Frage des Seins mit wissenschaftlichen Mitteln. Geschichte ist mehr als Überfluss oder „Dekoration des Lebens“. Geschichte ist die fundamentale Frage nach dem Menschen, so schillernd wie wir selbst. Etwas Handfestes ist es deswegen allerdings noch lange nicht.

Written by silberredner

18. September 2012 at 16:50

Hört, hört: „Freiburg ohne Papst“ im Verfassungsschutzbericht 2012!

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Anscheinend braucht die katholische Kirche Hilfe von Papa Staat:

5.5 Freiburger Autonome agitieren gegen Papstbesuch

Anlass zu Protesten und möglichen Störversuchen von Linksextremisten gab auch der Besuch Papst Benedikts XVI. am 24. und 25. September in Freiburg während seiner Deutschlandreise. Zuvor waren die autonomen Gruppierungen „Autonome Antifa Freiburg“, „Anarchistische Gruppe Freiburg“ und „Antifaschistische Linke Freiburg“ bereits seit längerer Zeit gegen die christlich-fundamentalistische „Piusbruderschaft“ in Freiburg vorgegangen. Die autonome Szene Freiburg warf dem Papst vor, mit dieser zu sympathisieren. Sie erklärte, den Papstbesuch nutzen zu wollen, um massiv gegen die „Piusbruderschaft“ und deren Verbindungen zum Papst vorzugehen.

Unter dem Motto „Antisemitismus – Patriarchat – Kapitalismus: WHAT THE FUCK?! Für die befreite Gesellschaft“ rief ein Bündnis autonomer und anarchistischer Gruppen zu einer sogenannten Vorabenddemo am 23. September 2011 in Freiburg auf. Sie erklärte, den Papstbesuch zum Anlass nehmen zu wollen, um „unsere grundsätzliche Kritik an Religion, Kirche und den gesellschaftlichen Verhältnissen zu äußern“.

In einem Aufruf kritisierten sie „Antisemitismus, Patriarchat und Obrigkeitshörigkeit“als nicht nur kirchliche Probleme, sondern als „Alltag auch im Kapitalismus“. Religion beinhalte für die Gläubigen „ein ‚himmlisches‘ Emanzipationsversprechen von diesem weltlichen Elend“. Gleichzeitig aber sei sie nichts anderes als „der Ausdruck eben jenes Elends und reproduziert – teilweise verschärft – Unmündigkeit und Unterdrückung im kapitalistischen Alltag“. Die Veranstaltung fand jedoch wenig Zulauf.

Bereits im Vorfeld hatte sich das linksextremistisch beeinflusste Aktionsbündnis „Freiburg ohne Papst“ von der Demonstration dieses Spektrums distanziert. Insgesamt verlief der Besuch des Papstes in Freiburg störungsfrei.

(Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2011, S 230f, Hervorhebung von mir)

Freiburg ohne Papst“ ist nun linksextremistisch unterwandert? Auf eine solche Idee können auch nur Verfassungsschützer kommen.

Überhaupt eine Bürgerrechtsbündnis in den Verfassungsschutzbericht mit aufzunehmen spricht Bände. Wer verteidigt hier wen?

Ich bin stolz auf unsere Arbeit bei Freiburg ohne Papst, ich wäre auch dann stolz auf sie, wenn sie „linksextremistisch unterwandert“ wäre.

Was soll „unterwandern“ bedeuten? Haben sich Trotzkisten und andere „linke Abweichler“ in unsere Gruppe eingeschlichen um sie nach ihrem Gutdünken zu lenken? Wie „unterwandert“ man überhaupt etwas? Welche Vorstellung von Zivilgesellschaft und der Freiheit von Individuen muss man haben, damit etwas unterwandert werden kann?

Unabhängig davon dass dies die vollkommene Unschärfe, Undifferenziertheit und reaktionäre Suggestivkraft des Extremismusbegriffes aufzeigt ist dies ein Armutszeugnis für den Zustand des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg und trägt nicht zu seiner Legitimation bei.

Nun könnte man einwenden, dass ich nichts besseres zu erwarten hätte, dass der VS ständig mit Argusaugen progressive Vereine und Bewegungen beobachtet, dass dies in Deutschland nun mal so sei.

Doch ich will das nicht glauben.

Ich will einen Staat der seine Bürger beschützt wo es nötig ist und sich aus allem anderen raushält.

Ich will einen Staat, der sich nicht dazu genötigt fühlt, tradierte Wertordnungen zu beschützen.

Ich will einen Staat, der laizistisch ist.

Ich will glauben, dass dieser Staat, der auch der meine ist, Besseres kann.

Doch offensichtlich haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Der Verfassungsschutz beschützt keine Menschen, er beschützt das, was er für die Verfassung hält. Das scheint die Glorie eines alten bayrischen Reaktionärs und seiner Wahlmonarchie mit einzuschließen. Schade auch.

Nachtrag:

Hier ein Beitrag zu diesem Thema auf Radio Dreyeckland.

Written by silberredner

24. Mai 2012 at 13:56

Köszönöm Fidesz!

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Der vormalige Platz der Republik ist nun der Johannes-Paul-II.-Platz.

Written by silberredner

2. April 2012 at 19:33

Alter, wie rassistisch ist das denn?

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Written by silberredner

13. März 2012 at 20:41

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Death from below!

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Small pride!

Written by silberredner

16. Januar 2012 at 20:04

Veröffentlicht in Allzumenschliches, Gesellschaft

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Erez Thüringen!

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Auf jeden Fall dafür!

Written by silberredner

12. Januar 2012 at 11:16

Veröffentlicht in Gesellschaft

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Catholicism in Hong Kong

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Written by silberredner

7. Januar 2012 at 17:10

Es gibt noch Hoffnung!

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Weiter so Riley!

Via Sociological Images

Written by silberredner

3. Januar 2012 at 14:02

Veröffentlicht in Allzumenschliches, Gesellschaft

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Mein Engagment bei „Freiburg ohne Papst“

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Zum Besuch des Papstes in Deutschland bildeten sich verschiedene Protestgruppen, eine davon war „Freiburg ohne Papst“. Ursprünglich nur ein Produkt der Rosa Hilfe Freiburg, schlossen sich bald auch andere Organisationen an, es bildete sich ein breites Bündnis. Tatsächlich rekrutierte sich der Großteil der Aktivisten jedoch aus dem Umfeld der Rosa Hilfe.

Eines Tages las ich im Internet von diesem Bündnis. Für mich war von Anfang an klar, dass ich da mitmachen würde, war bei meinem ersten Zusammentreffen mit der Gruppe jedoch erstaunt, dass es sich fast nur um ältere, schwule Männer handelte. Als Heten- und Studentenminderheit konnte ich jedoch das Bündnis auch anderen Kreisen öffnen.

Im Laufe unserer Propaganda machten wir auch einen kleinen Film mit Statements, warum wir uns engagieren würden:

 


Mein Satz lautete:

„Ich engagiere mich bei Freiburg ohne Papst, weil der Vatikan mit vormoderner Argumentation menschenfeindliche Positionen verbreitet.“

Was meine ich eigentlich damit?

Was ist vormoderne Argumentation?

Vormoderne Argumentation geht davon aus, dass es eine Wahrheit gibt, welche erkennbar ist. Als klassisches Beispiel kann hier Platons Höhlengleichnis dienen, in welchem der Großteil der Menschen in einer Höhle lebt, weit entfernt vom Licht. Nur manchen ist es möglich, das Licht zu sehen und die anderen darüber aufzuklären. Die Rolle der Aufklärer fiele natürlich der katholischen Kirche zu, der „einzig selig machenden Kirche“.

Allein die Vorstellung, dass es nur eine Wahrheit gäbe ist heutzutage absurd. Auch die Vorstellung, dass es Wahrheit gäbe scheint mir mehr als Zweifelhaft. Alles was wir haben, sind Erfahrungswerte und Traditionen auf welche wir unsere Modelle der Welt und Wahrheiten basieren. Trotzdem wird unerfreulich häufig auf solche Denkstrukturen zurückgegriffen. Warum ist das unerfreulich? Weil die Vorstellung von einer Wahrheit den Horizont begrenzt, die Kreativität verkrüppelt und Intoleranz befeuert.

Ein weiterer Aspekt der vormodernen Argumentation ist der Theismus. Man kann zum Theismus stehen wie man will, man kann auch theistische Argumentation für sich selbst verwenden, doch niemals im gesamtgesellschaftlichen Kontext. Warum nicht? Argumentation, die auf Belange der Gesamtgesellschaft abzielt, muss die Heterogenität unserer Gesellschaft anerkennen. Wo ein erheblicher Teil der Menschen nicht mehr an einen Gott oder nicht mehr an einen Gott oder nicht mehr an diesen einen Gott glaubt ist theistische Argumentation zutiefst undemokratisch. Versuche ich, mich an die gesamte Gesellschaft zu wenden, darf ich auf kein Sonderwissen pochen. Ich kann gerne an Allah glauben so viel ich will, eine Argumentation die Allah beinhaltet, hat keinen Wert für andere. Darum ist die einzig akzeptable Argumentation ein säkulare. Die materielle Welt ist der kleinste gemeinsame Nenner den wir haben. Wer darüber hinaus eine magische Feenwelt sehen möchte, kann das für sich gerne so handhaben. Stützt sich eine Argumentation auf die „Heiligkeit“ einer Schrift, Institution oder Person, wird diese Argumentation jedoch irrelevant. Es ist philosophisch unlauter, noch allgemein mit Gott zu argumentieren. Organisierter Glaube versucht dennoch ständig, seine undemokratischen Argumentationsstrukturen allgemein gültig zu machen. Dies ist unakzeptabel und muss von ständiger Kritik begleitet werden.

So weit, so allgemein. Das bisher Gesagte ist ebenso für evangelische, muslimische oder andere Kirchen gültig. Das spezifisch katholische wird in der Menschenfeindlichkeit deutlich.

Am deutlichsten sticht hier vor allem die katholische Sexualmoral hervor. Jedoch kann man von einer Religion, die ihre Sexualmoral auf ein 2000 Jahre altes Buch fußt auch nichts besseres erwarten. Die Verdammung homosexuellen Handlungen ist ein schwerwiegender Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung der Menschen. Ebenso ist es das Verbot von Verhütungsmitteln, von den gesundheitlichen Auswirkungen ganz zu schweigen. Eine Institution, die ihre religiösen Vorstellungen über die Gesundheit der Menschen stellt, ist schlicht widerwärtig. Ebenso anachronistisch ist der Ausschluss wiederverheirateter Menschen. Von der Selbstbestimmung der Frau über ihren Körper und ihre reproduktiven Fähigkeiten ganz zu schweigen. Hier werden fundamentale Menschenrechte mit Füßen getreten.

Nun könnte man natürlich einwenden, dass niemand dazu gezwungen würde katholisch zu sein, dass wir in einer freien Gesellschaft lebten und das hier überhaupt mir Kanonen auf Spatzen geschossen würde.

Nun verbreitet die katholische Kirche aber eben solche Einstellungen mit ihrem historisch gewachsenen Machtapparat. Das fängt im Kindergarten an und hört im Hospiz auf; soziale Einrichtungen, mit einem erheblichen finanziellen Anteil des Staates, welche dennoch immer auch einen missionarischen Auftrag haben. Aus diesem Grund dürfen ja auch keine wiederverheirateten oder offen homosexuell lebenden Menschen in katholischen Einrichtungen angestellt sein, da sie die katholische Lehre nicht überzeugend verbreiten könnten. Ich selbst habe mit Menschen gesprochen, die im sozialen Sektor arbeiten und Angst davor haben die Kirche zu kritisieren. Da unterschreibt man lieber keinen Aufruf, auch wenn man mit ihm vollkommen übereinstimmt.

Der Einfluss dieser Kirche in unserer Gesellschaft ist immer noch riesig, das geht über Rundfunkräte, Konkordatslehrstühle bis hin zur staatlich eingezogenen Kirchensteuer und den Millionen Euro an staatlichen Zahlungen, welche jedes Jahr an die Kirchen gehen.

Nein, niemand wird dazu gezwungen katholisch zu sein, jedoch sollte man niemals die kulturelle und psychologische Macht der Kirche unterschätzen.

Die freie, demokratische Gesellschaft ist eine Errungenschaft, die in jeder Generation neu erobert und neu erlernt werden muss. Von den misanthropen alten Herren in Rom und ihrer Wahlmonarchie sind hierbei keinerlei positiven Impulse zu erwarten.

Aber eigentlich kann das der einzigartige Stephen Fry besser und schöner sagen als ich:

Written by silberredner

6. Oktober 2011 at 15:16

Meine B.A.-Arbeit

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Gestern habe ich meine Bachelorarbeit abgegeben und werde mich wohl bald mit dem hässlichsten aller Titel schmücken können: Bachelor…

Wie dem auch sei, für die winzige Minderheit die es interessieren könnte habe ich hier meine B.A.-Arbeit mit dem griffigen Titel: „Vom Sowjetvolk zur Explosion der Identitäten. Zur Identitätsentwicklung der Volga-Tataren und Kalmyken in den 1960er und 1990er Jahren“ hochgeladen.

Sie ist wahrlich nicht gut geworden. Wie eine Dozenten meinte: Das hätte sie sich schon nach meinem Vortrag gedacht. Hm.

Nun, hier ist sie meine: B.A.-Arbeit. Hier klicken um zu öffnen.

Written by silberredner

28. Juli 2011 at 17:24

Apropos…

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Written by silberredner

25. Juli 2011 at 10:35

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Vagina Dialoge

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Zu meiner Zeit in Budapest fragte ich verschiedene Nationen, was die schlimmste Beleidigung in ihrem Land wäre (eine kleine Sammlerleidenschaft von mir). Die Antwort eigentlich immer gleich:

„Fotze“.1

Das brachte mich zu meiner nächsten Frage: Was sagen Frauen eigentlich zu ihrem primären Geschlechtsorgan?

Diese Frage habe ich seit längerem vielen Frauen gestellt und war bestürzt über die Reaktionen: Viele Frauen wussten gar nichts mit der Frage anzufangen. Es schien ein Tabu zu sein, über das am besten so wenig wie möglich gesprochen werden sollte nicht mal mit Freundinnen. Dies ist im krassen Gegensatz zu Männern, die kein Problem damit haben über ihre Penisse oder Eier zu sprechen (und dies auch tun).

Doch dies liegt meiner Meinung auch daran, dass es im Deutschen keine vernünftige Neutrale Bezeichnung dafür gibt. Entweder die Wörter sind obszön, lächerlich oder wissenschaftlich-distanziert. Fotze, Mumu oder Vagina klingt einfach nicht besonders schön. Vor allen Dingen: Die verbreiteten Wörter zwingen die Frauen, sich durch Ironie oder Wissenschaftlichkeit von ihrem eigenen Körper und damit ihrer eigenen Sexualität zu distanzieren. Hinzu kommt, dass gewisse Wörter manchen Frauen geradezu einen Schauer über den Rücken laufen lassen, weil sie diese so eklig finden. Ich kann mir ähnliches bei keinem Wort für Penis und keinem Mann vorstellen, den ich je getroffen habe.

Ich denke, es ist einer der großen Skandale unserer Gesellschaft, dass Frauen zur Sprachlosigkeit über essentielle Teile ihres Körpers gezwungen sind. Wieder einmal zeigt sich die patriarchalische Tradition unserer Gesellschaft, verbunden mit einer restriktiven Sexualmoral, welche die Ausrichtung der Sexualität auf den Mann bestimmt und weibliche Sexualität und Körperlichkeit tabuisiert.

Darum frage ich euch: Was sagt ihr? Habt ihr ein Wort ,das für euch keinen seltsamen Beigeschmack hat? Das genauso neutral ist wie Bein oder Kopf? Und wenn nicht, warum denkt ihr ist dem so?

Wo ist hier das Problem?

1Ausnahme war Serbien, dort war die schlimmste Beleidigung „Schwuchtel“.

Written by silberredner

19. Juli 2011 at 11:51

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Schrecklichstes Paar der Welt?

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Written by silberredner

18. Juli 2011 at 15:10

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Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt

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„Ja Freunde ist’s nicht stets das gleiche?

Taugt zum verliebtem Zeitvertreib

Die Modepuppe nur, die reiche?

Warum nicht ein Kalmückenweib?“

Dies ist das Ende von Alexander Puschkins Gedicht „An eine Kalmückin“, in welchem es im Grunde darum geht, dass Puschkin irgendwo in der Steppe ist und Druck auf dem Kessel hat. In den 70er Jahren war es das meist rezitierte Gedicht in Kalmykien.

Written by silberredner

14. Juli 2011 at 17:38

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Die Präambel der ungarischen Verfassung

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Vom Pester Lloyd, Übersetzung von Dóra Frey, LL.M. von der Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Deutschsprachigen Andrássy Universität Budapest:

“GOTT, SEGNE DIE UNGARN

Nationales Glaubensbekenntnis / Nationale Erklärung

Wir, die Mitglieder der ungarischen Nation, am Anfang des neuen Jahrtausends, in Verantwortung für alle Ungarn erklären Folgendes:

Wir sind stolz darauf, dass unser König Stefan der Heilige vor tausend Jahren den ungarischen Staat auf feste Grundlagen gebaut hat und unsere Heimat zu einem Teil des christlichen Europas machte. Wir sind stolz auf unsere Vorfahren die für die Aufrechterhaltung, Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes kämpften.

Wir sind stolz auf die herausragenden geistigen Leistungen der ungarischen Menschen. Wir sind stolz darauf, dass unser Volk Europa jahrhundertelang in Kämpfen verteidigte, und seine gemeinsamen Werte durch seine Begabung und Fleiß mehrte.

Wir anerkennen die die Nation erhaltende Kraft des Christentums. Wir achten die verschiedenen religiösen Traditionen unseres Landes. Wir schwören, dass wir die geistige und seelische Einheit unserer in den Stürmen des vergangenen Jahrhunderts in Teile zerrissenen Nation bewahren werden. Wir nehmen auf uns, dass wir unser Erbe, die ungarische Kultur, unsere einmalige Sprache, die menschgeschaffene und von Natur gegebenen Werte des Karpatenbeckens pflegen und bewahren. Wir tragen Verantwortung für unsere Nachfahren, deswegen schützen wir die Lebensgrundlagen unserer Nachfolger durch den sorgfältigen Verbrauch der materiellen, geistigen und natürlichen Ressourcen.

Wir glauben, dass unsere nationale Kultur einen reichen Beitrag zu der Vielfalt der europäischen Einheit leistet. Wir achten die Freiheit und Kultur der anderen Völker und streben eine Zusammenarbeit mit allen Nationen der Welt an. Wir bekennen uns dazu, dass die Grundlage des menschlichen Daseins, die Menschenwürde ist.

Wir bekennen uns dazu, dass sich die Freiheit der Einzelnen nur im Zusammenwirken mit anderen entfalten kann. Wir bekennen uns dazu, dass die wichtigsten Rahmenbedingungen unseres Zusammenlebens die Familie und die Nation sind, die Grundwerte unserer Zusammengehörigkeit sind Treue, Glaube und Liebe.

Wir bekennen uns dazu, dass die Grundlage der Kraft der Gemeinschaft und der Ehre aller Menschen die Arbeit, die geistige Leistung der Menschen ist. Wir bekennen uns zu dem Befehl, die Hilfsbedürftigen und Armen unterstützen zu müssen. Wir bekennen uns dazu, dass die Vervollkommnung der Sicherheit, der Ordnung, der Gerechtigkeit und der Freiheit gemeinsames Ziel der Bürger und des Staates ist.

Wir bekennen uns dazu, dass eine richtige Volksherrschaft nur dort gegeben ist, wo der Staat seinen Bürgern dient, und ihre Angelegenheiten mit Billigkeit, ohne Missbrauch und Parteilichkeit erledigt. Wir ehren die Errungenschaften unserer historischen Verfassung und die Heilige Krone, die die verfassungsmäßige staatliche Kontinuität von Ungarn verkörpert.

Wir anerkennen nicht die Aussetzung unserer historischen Verfassung während fremden Belagerungen. Wir verneinen die Verjährung der unmenschlichen Verbrechen die während der Herrschaft von nationalsozialistischen und kommunistischen Diktaturen gegen die ungarische Nation und ihren Mitglieder begangen worden.

Wir anerkennen nicht die Rechtskontinuität der kommunistischen Verfassung aus dem Jahre 1949, die die Grundlage einer tyrannischen Herrschaft war, deswegen erklären wir deren Ungültigkeit.

Wir sind mit den Abgeordneten des ersten freien Parlaments einverstanden, die in ihren ersten Beschluss erklärt haben, dass unsere heutige Freiheit aus unserer den Weltkommunismus tödlich verletzenden Revolution und dem Freiheitskampf von 1956 sprießte. Wir rechnen die Wiederherstellung der, am 19. März 1944 verlorenen, staatlichen Selbstbestimmung unserer Heimat, ab den 2. Mai 1990, die Konstituierung der ersten frei gewählten Volksvertretung.

Wir bekennen uns dazu, dass wir nach den zu moralischen Erschütterung führenden Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts zweifellos einer seelischen und geistigen Erneuerung bedürfen.

Wir vertrauen in die gemeinsam gestaltete Zukunft, in die Berufung der jungen Generation. Wir glauben, dass unsere Kinder und Enkel mit ihrer Begabung, Ausdauer und seelischen Kraft Ungarn wieder groß machen werden.

Unser Grundgesetz ist die Grundlage unserer Rechtsordnung; ein Vertrag zwischen den Ungarn der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft; ein lebendiger Rahmen, der den Willen der Nation ausdruckt, die Form, in der wir leben möchten.

Wir, die Bürger Ungarns sind bereit dazu, die Ordnung unseres Landes auf die nationale Zusammenarbeit zu begründen.”

Written by silberredner

14. Juli 2011 at 16:34

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The unspoken agreement of sport fans

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Statt Basketball bitte Fußball einsetzen.

Written by silberredner

24. Juni 2011 at 09:55

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Historischer Materialismus 2011

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Written by silberredner

7. Mai 2011 at 13:42

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Mars needs Mums – schlechtester Titel aller Zeiten?

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Es scheint doch noch Gerechtgkeit zu geben: „Mars needs Moms“ ein unsägliches Disney-Machwerk steht laut New York Times davor, kollosal zu scheitern.

Der 175 Millionen $ Schinken spielte am ersten Wochenende in Nordamerika „nur“ 6,9 Millionen $ ein und scheint eine starke Belastung für den Disneykonzern zu werden.

Zum Glück.

Nach „The house bunny“1 (den ich leider sogar gesehen habe) schien MNM der schlimmste Ultra-Rollen-Klischee-Film zu werden.

Die Story geht ungefähr so: Marsmenschen entführen „Moms“ von der Erde, da sie diese brauchen um ihre Kinder zu erziehen. Allein wie der Protagonist des Films, ein kleiner weißer Junge, irgendwelchen, wahrscheinlich auf putzig gemachten Marsianern, seine Mutter beschreibt, sagt alles über diesen Film aus: „Sie gibt mir Essen, sie saugt das Haus.“

Das Disney noch nie an erster Front war, um gesellschaftlichen Fortschritt zu fördern ist klar. So etwas hätte ich allerdings im 21. Jahrhundert kaum noch für möglich gehalten. Um so beruhigender, dass zumindest dieser Dreck nicht angesehen wird.

 

Written by silberredner

15. März 2011 at 17:29

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James Bonds Beitrag zum 8. März

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Written by silberredner

10. März 2011 at 13:52

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Weltfrauentag bei Alice ihrer Zeitung

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Heute ist, wie jeder weiß, der 100. Weltfrauentag. Allerdings ist die Gleichberechtigung bekannter Maßen schon vollkommen erreicht. Ab jetzt kann der Markt alles regeln. So oder zumindest so ähnlich sieht das wohl auch Judith Holofernes‘ Lieblingszeitung, die mit einem besonderen Schmankerl aufwartet:

100 Dinge die Frauen besser können.

Mein Liebling ist Nr. 83:

Geld ausgeben, das sie nicht verdient haben.

Mehr gibt es auf bildblog.de

Written by silberredner

8. März 2011 at 17:00

Veröffentlicht in Gesellschaft, Medien

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